RKI-Bericht: Neuinfektionen stabil – weiterhin viele Spätdiagnosen
23. November 2017
Robert-Koch-Institut veröffentlicht HIV/Aids-Bericht mit aktuellen Zahlen zu Neuinfektionen, HIV-Spätdiagnosen, Therapiequote und dem Stand zu den 90-90-90-Zielen von UNAIDS.
Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland ist weiterhin stabil. Im Jahr 2016 infizierten sich wie im Jahr 2015 rund 3.100 Menschen mit HIV. Das hat heute das Robert-Koch-Institut in seinem Epidemiologischen Bulletin mitgeteilt.
Im europäischen Vergleich hat Deutschland damit weiterhin eine geringe Zahl von Neuinfektionen. In den verschiedenen von HIV betroffenen Gruppen sind dabei unterschiedliche Trends zu beobachten:
Bei den schwulen und bisexuellen Männern sind die Neuinfektionen in den letzten Jahren leicht gesunken – von 2.500 im Jahr 2013 auf 2.100 im letzten Jahr. Einer der Gründe: Prinzipiell wird heute so früh wie möglich mit einer Therapie begonnen – damit werden auch weitere Übertragungen verhindert. Durch verbesserte Testangebote – vor allem in den Checkpoints der Aidshilfen – werden HIV-Infektionen früher festgestellt. Die HIV-Prophylaxe PrEP könnte den Abwärtstrend bei den Infektionszahlen nun noch erheblich verstärken.
Schwule und bisexuelle Männer sind weiterhin die am stärksten betroffene Gruppe, auf sie entfallen etwa zwei Drittel der Neuinfektionen.
Bei HIV-Infektionen durch heterosexuellen Geschlechtsverkehr war seit 2010 ein Anstieg zu verzeichnen, der sich aber 2016 nicht fortgesetzt hat. 490 Frauen (15,8 % der Neuinfektionen) und 260 Männer (8,4%) infizierten sich. Heterosexuelle HIV-Infektionen entstehen überwiegend bei sexuellen Kontakten mit Menschen aus den am stärksten betroffenen Gruppen (bisexuelle Männer, Menschen, die Drogen injizieren, Menschen aus Ländern, in denen HIV besonders häufig ist).
Bei den HIV-Infektionen durch intravenösen Drogenkonsum ist seit einigen Jahren ein Anstieg zu beobachten. Mit 240 Fällen macht diese Gruppe knapp 8 Prozent der Neuinfektionen aus. Einer der Gründe ist ein Anstieg von HIV-Infektionen unter Drogenkonsumierenden in Osteuropa, aufgrund von mangelnder Prävention und neuen Drogen, die häufig gespritzt werden. Dieser Anstieg nimmt aufgrund von erhöhter Mobilität auch Einfluss auf das Infektionsgeschehen in Deutschland.
Zugleich ist die Zahl der neuen HIV-Diagnosen bei Menschen, die nicht aus Deutschland stammen, im letzten Jahr zurückgegangen.
Weiterhin viele Spätdiagnosen
Insgesamt leben rund 88.400 Menschen in Deutschland mit HIV. Diese Zahl steigt seit Jahren, weil nur noch relativ wenige Menschen an den Folgen der HIV-Infektion sterben.
12.700 Menschen wissen nichts von ihrer Infektion; diese Zahl steigt seit 2006.
Rund 1.100 Menschen erfuhren im Jahr 2016 erst von ihrer HIV-Infektion, als sie bereits Aids beziehungsweise einen schweren Immundefekt hatten. Knapp ein Drittel der HIV-Diagnosen sind also so genannte Spätdiagnosen. Dabei lässt sich eine Aids-Erkrankung heute bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung vermeiden.
Bei den homosexuellen Männern und Drogen konsumierenden Menschen waren zum Zeitpunkt ihrer HIV-Diagnose bereits 30% schwer erkrankt.
Heterosexuelle, denen HIV-Risiken oft nicht bewusst sind, lassen sich noch häufiger lange Zeit nicht testen. In dieser Gruppe liegt der Anteil der Spätdiagnosen bei 35%.
Therapiequote
Die Therapiequote ist im letzten Jahr gestiegen: Von den wissentlich HIV-positiven Menschen in Deutschland nehmen 86% Medikamente gegen die Infektion. 2006 lag diese Zahl noch bei 74%. Seit 2015 empfehlen die Behandlungsleitlinien einen sofortigen Therapiebeginn.
90-90-90-Ziele
Bezüglich der 90-90-90-Ziele von UNAIDS liegt Deutschland damit jetzt bei 86-86-93. 86% der HIV-infizierten Menschen wissen von ihrer Infektion, 86 % davon erhalten eine Therapie, davon ist bei 93 % die Behandlung so gut wirksam, dass HIV nicht mehr nachweisbar und übertragbar ist. Ziel ist als Etappenziel bis 2020 jeweils ein Wert von 90%.
Handlungsempfehlungen
Das Robert-Koch-Institut benennt in seinen Epidemiologischen Bulletin im Abschnitt Handlungsempfehlungen mehrere mögliche Maßnahmen, die HIV-Infektionen verhindern könnten. Dazu gehört die medikamentöse HIV-Prophylaxe PrEP, die Legalisierung des HIV-Selbsttests sowie ein verbesserter Zugang zu medizinischer Behandlung für Menschen ohne Papiere beziehungsweise EU-Bürger ohne Krankenversicherung.
Epidemiologisches Bulletin
Pressemitteilung der Deutschen AIDS-Hilfe zu den aktuellen Zahlen